Eine Geschichte zum Dank…

Erst gestern wieder habe ich jemanden getroffen, der sich ehrenamtlich engagiert.
Diese Engel in allen Farben, Bereichen und unterschiedlichen Projekten, die uns und andere unterstützen und nur deshalb ehrenamtlich arbeiten,  weil ihr unermüdlicher Einsatz schlichtweg unbezahlbar ist.
Als kleiner Dank für euch heute einmal eine  kleine Geschichte:

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Stille Nacht

Sami saß in dem gelblackierten Auto. Ohne es zu sehen, wusste er, dass die leuchtende Taxianzeige auf seinem Dach fast das einzige Licht in dieser kleinen Straße war,
Er saß im Dunkeln. Mit dem ausgeschalteten Motor war Ruhe im Innenraum eingekehrt und auch das Schaukeln der roten Weihnachtsbaumkugel am Rückspiegel hatte längst aufgehört.
Während die neu fallenden Schneemassen seine Frontscheibe bedeckten und ihm das Gefühl vermittelten, in einem Iglu irgendwo am Rande der Welt allein zu sitzen, hörte er den Schlag der Kirchturmglocken einige Straßen weiter. Sie läuteten pünktlich zur Dunkelheit den kommenden Heiligabend ein.

Sami zuckte erschrocken zusammen, als hinter ihm die Autotür aufgerissen wurde und sich ein großgewachsener Mann in den Sitz fallen ließ.
Mit ihm stiegen zahllose dicke Schneeflocken ein, die in der Restwärme der Anfahrt sofort schmolzen und sich in kleinen Tropfen im Haar und auf dem dunklen Mantel des Fremden verteilten.
Fahrig wischte er die Nässe aus den aufspringenden Locken.
Sami startete den Motor mit einem fragenden Blick nach dem Zielort in den Rückspiegel.
„Es ist mein erstes Weihnachten“, er sprach leiser. „Allein.“
Der Mann antwortete ihm. Ohne Zielangabe, dafür mit dem Grund und dem Namen seines Abfahrtortes: Einsamkeit.
Sami hatte sie heute während seiner langen Schicht alle gefahren: Die vorfreudig Aufgeregten auf ihrem Weg zu den wartenden Freunden und Familien, die Weihnachtsflüchtlinge, die nur weg aus diesem Weihnachtstumult wollten und diejenigen, die noch auf den letzten Drücker etwas zu besorgen versuchten.

Sami lenkte den Wagen auf die Straße und schaltete das Tachometer aus.
„Es ist meine letzte Fahrt heute Abend“, antwortete er auf den wortlos nachfragenden Blick des Fahrgastes. `Und meine längste ohnehin´, setzte er schweigend in Gedanken hinzu.
„Was mache sie dann? Gehen sie nach Hause zu ihrer Familie?“
„Ich sehe sie dieses Jahr zu Weihnachten nicht.“ Sami schluckte. „So wie auch letztes Jahr nicht und das Jahr davor. Ich hoffe, sie sind nächstes Jahr bei mir.“

Der Nachfragende schwieg bei dieser Antwort. Wortlos. Fast erschrocken.
Sie waren zwei Einsame. Fremde, einander unbekannte Männer, die an diesem Heiligen Abend so viel mehr verband, als manch andere, die sich seit Jahren gut kannten.
Schweigend fuhren sie durch die schneebedeckten, um diese Uhrzeit fast menschenleeren Straßen, quer durch die Stadt.

Sami hatte ihn gesehen, den Fremden beim Einsteigen.
Die wohlausgesuchte Kleidung für diesen Festtag und seine Entschlossenheit, diesen Festtag nicht allein zu verbringen, auch wenn er noch kein Fahrtziel hatte.

„Wo sind wir?“
Irritiert beugte sich der Fremde nach vorne, als Sami später das Taxi vor einem weihnachtlich geschmückten, hellerleuchteten Gebäude zum Stehen brachte.
„Kommen Sie.“
Ohne weitere Erklärung stieg Sami aus und öffnete dem Fahrgast von außen die Tür.
„Ich komme seit zwei Jahren am Heiligabend hierher. Es ist wunderbar. Kommen Sie kurz mit herein.“
Der warme Duft von Kerzen, Glühwein und Selbstgebackenem umfing die beiden Männer, als sie in das Gemeindehaus eintraten.
Der kleine Raum war gefüllt mit einander fremden Menschen, die die Neuankömmlinge herzlich wie lange nicht gesehene Familienmitglieder begrüßten.

Eine Frau half den Beiden aus den Mänteln, während eine andere ihnen einen Becher warmen Gewürzwein reichte.

Der fremde Mann lächelte. Vielleicht das erste Mal seit Wochen, wie Sami leise dachte, als er die Weihnachtslieder leise aus der Ecke neben dem herrlich geschmückten Christbaum wahrnahm.

Sie sahen sich um in dem liebevoll dekorierten Raum, und der Blick des Mannes blieb an der großen eingedeckten Tafel hängen.
Er war nicht mehr allein. Genauso wenig wie all die anderen hier, die ihm, obwohl fremd, allesamt so vertraut erschienen.
Vertraut, vereint an diesem Heiligen Abend, in dieser Runde von Menschen, die ihre Ängste, Schmerzen oder Sorgen für ein paar Stunden verdrängte.
Gemeinsam hoffend, wartend auf das Wunder der Heiligen Nacht, das für sie alle gemeinsam und doch für jeden einzelnen von ihnen, etwas ganz persönliches Besonderes bereithalten möge

Eine wunderbare Vorweihnachtszeit wünsche ich euch allen,
Viele Grüße Nadin

Sprachlos …

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Was kann furchtbarer sein, als an diesem Novembermorgen mit noch müden Augen als erstes die neuesten Nachrichten zu googeln, um entsetzt die neuesten Ticker über die, gestern Abend  Paris erschütternde Anschlagserie, nachzulesen.

Mit Entsetzen, einem beklemmenden Gefühl in der Brust lese ich die Newsticker der vergangenen Nacht.
Ein Horroszenario, ein Albtraum über die ureigene menschliche Angst, von einer Stadt, die als Heim, als Zufluchtsort  erbaut wurde und  nun nicht mehr sicher zu sein scheint.

Nicht mehr sicher zu sein bei einem Cafebesuch am Freitagabend, nach einer langen entbehrungsreichen Arbeitswoche. Nicht mehr sicher zu sein, um das Wochenende auf einem langersehnten Konzertbesuch einläuten zu können. Auf einem Konzert,  für das die Karten vielleicht schon einige Zeit in der Schublade liegen, auf das sie sich freuen, weil dort am Einlass vielleicht jemand auf sie wartet, mit dem sie das erste Mal einen gemeinsamen Abend verbringen.
Wir denken an all die Menschen, die an diesem Freitagabend vielleicht Stunden vorher die Haare im Bad oder den Sitz der Kleidung im Spiegel überprüft haben, ehe sie die U-Bahn mit einem Lächeln auf den Lippen, Richtung Innenstadt bestiegen haben. Bestiegen, hin zu einem Ziel : dem Treffen mit Freunden, dem Fussballspiel, der Entspannung, Sorglosigkeit, Freude oder anders gesagt: eben einfach dem „Leben“.

Unmöglich zu begreifen, zu erfassen was dann geschieht, wenn in Paris, der Stadt der Liebe, nach neuesten Meldungen zeitgleich an sechs verschiedenen Orten Chaos, Terror und Schmerz ausbricht.
Ein Schreckensszenario gestern Abend und die Fassungslosigkeit hält an, während ich heute Morgen die neuesten Schlagzeilen verfolge.
Ein Grauen, ein Horror, unendliches Leid und meine, unsere Gedanken wandern.

Wandern hin zu den Menschen mit so vielen Wünschen der Kraft. Einer Umarmung für ihren Verlust und den unmenschlichen  Schmerz.
Ein Wunsch der Kraft schenken soll für diese dunklen Stunden, mit der großen und wachsenden Gewissheit, sie sind mit ihrem Entsetzen und ihrer Trauer nicht allein.

Autorennetzwerk- ein Blick der sich lohnt

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http://www.autoren-im-netzwerk.de/

Eine wundervolle Gruppe, und ich freue mich sehr ein Teil davon zu sein. Bin selbst unheimlich auf unser gemeinsames Projekt gespannt.

Viel Spass beim Stöbern auf dieser Seite. Lernt neue Autoren,  Blogger und andere wichtige Menschen rund um die Entstehung und den Vertrieb eines oder unseres Buches.

Seid herzlich eingeladen und abendlich  gegrüßt,  Nadin

Juni im Juli … oder der gerippte Brachkäfer

2015-07-08 19.12.50Es sind diese milden, warmen Sommerabende auf die wir seit Monaten, eigentlich seit  dem Frühlingsbeginn, sehnsüchtig warten. Nach der Hitze des Tages fiebern wir nun dem Untergang der immer noch gnadenlos brennenden Sonne entgegen.

Wir haben die Augen zusammengenkiffen, wohlwissend, dass wir damit unsere wachsenden Augenfältchen unnachgiebig nähren und beneiden die Freunde um ihren entspannten Gesichtsausdruck hinter den dunklen Sonnenbrillengläsern, in denen wir uns bei jedem Wort selbst spiegeln.  Wir blinzeln unter dem, wie immer dem falschen Platz Schatten spendenden Sonnenschirm hindurch und wägen zaghaft ab, wie viele Minuten der Blindheit es noch sind, ehe die Abendsonne hinter den letzten Häusern versinkt.

Die Eiswürfel tanzen in dem handgeschliffenen kristallenen Weißweinschorleglas, und die beiden weißen Schmetterlinge tun es ihnen, in der Luft umeinander werbend, gleich. Zwei mutige, unermüdliche Spatzen freuen sich über das am Terrassenboden reichhaltig gedeckte Buffet aus Kekskrümeln, Grillresten und sonstigen Leckereien. Sie atmen mit vollem Bauch nach einer Erfrischung in dem mit frischem Wasser gefüllten Hundenapf beseelt auf.

Wir sitzen entspannt, die leicht gebräunten Arme und Beine weit von uns gestreckt und schauen uns in der kleinen Runde und dem wilden Garten um. Das blaue Planschbecken steht verwaist, vor Erschöpfung japsend, nach der Invasion der freudig quietschenden Kinder auf dem von der Sonne angesenkten Rasen. Die danebenstehende Hortensie hält die schweren lilablühenden Köpfe, leicht wippend vom letzten heruntertropfenden Planschwasser, mühsam aber erfolgreich und stolz in die Höhe gereckt.

Dann ein wiziges kleines, dennoch kühlendes und belebendes Lüftchen. Ein Aufatmen -Luft- das grüne hohe Schilfgras stimmt entspannt mit einem beruhigenden Rascheln ein.

Fast hätten wir es verpasst, doch bei einem Aufschauen sehen wir die Sonne hinter dem letzten roten Giebeldach versinken. Die zusammengekniffenen müden Augen können sich entspannen, als die der Helligkeit geschuldeten Tränen endlich aus ihnen weichen.

Ein Farbenspiel am Himmel aus blau, weiß mit rot und gelb. Wir tauchen hinab oder fliegen hinauf. Lassen uns mitnehmen auf diese einmalige Reise. Zu den unendlichen Formen dort oben am Rande des Abendhimmels. Aufgetürmt zu Bergen, andere wiederum klein und zaghaft fließend, ziehen die Wolken vor uns und am dunkler werdenden Horizont vorbei.

Ein Blick in die Runde, ein Prosit, ein Lächeln. Ein wunderbarer Tag neigt sich dem entspannenden Ende.

Der Abend schreitet weiter voran, der Tag wird unaufhaltsam zum „Gestern“, während wir uns zurücklehnen und die Unzulänglichkeiten des vergangenen Tages verbannen.  „Das hat nicht geklappt – … das war die Mühe nicht wert – … das dauert zu lange- … der Aufwand ist dieses Ergebnis nicht wert- …“   Wer kennt sie nicht, diese quälenden Gedanken danach, wenn es uns schwerfällt, manchmal in allem etwas Positives zu sehen. Dann wenn wir so sitzen und den Tag, die Gedanken gemeinsam mit den vorbeiziehenden Wolken am Himmel Revue passieren lassen.

Wir schmieden neue, ambitionierte, uns auf Morgen freuende Pläne.  Einmal im Gespräch verstummt spüren wir sie. Die Dunkelheit mit all unseren SInnen. Die eben noch regen, zwitschernden Vögel waren uns schon lange voraus, sie schweigen in der meterhohen grünen Hecke. Im Garten herrscht jetzt mit Einbruch der Dunkelheit tierische Stille.

Dann kommen sie. Erst einer, dann zwei und bald immer mehr. Ein unzähliges Brummen, Summen und Flattern erfüllt voranschreitende Dämmerung. Wir hören sie noch ehe wir sie am dunkler werdenden Abendhimmel sehen. Diese, unsere abendlichen Besucher, die uns vom endlich gekommenen Sommer künden: die zahlreichen Junikäfer, heute Abend im Juli.

Wir beobachten sie, ihren kleinen hektischen Flügelschlag. Wie sie fliegen, mancheiner scheinbar orientierungslos, wirken sie bald ziellos wenn sie sich uns viel zu schnell und beinahe furchtlos nähern.

Ein Aufschrei der Frauen, eines der aufgeregt brummenden Tierchen hängt erbarmungslos verheddert im offenen blonden Haar. Sein Freund fliegt ungebremst und fast kamikazegleich immer wieder an die gleiche Stelle der Hauswand, wenige Meter über der Brünetten. Wir beobachten sie, versuchen sie alle mit unseren, zugegeben wachsamen und aufsprungbereiten Augen zu erfassen, während sie diesen Flug genießen, nach diesem Tag im verborgenen Dunkeln. Sie summen, sie tanzen, sie schwirren aus. Auf der Suche nach dem Leben, erlöst von ihrer bald unendlichen Zeit des Wachsens. Zwei lange Jahre lagen die Eier untdeckt im Boden vergraben, erst im dritten Jahr verpuppten sie sich.

Wir neigen den müden, mittlerweile schweren Kopf und beobachten diesen lebensbejahenden Flug, auf den die brummenden Bräunlinge vier endlose Jahre gewartet haben. Sie schwirren wohlwissend, dass sie nur diese ein oder zwei Monate haben, ehe sie ihrerseits die Eier ablegen und damit der Kreislauf des Junikäferlebens von Neuem beginnt.

Spätestens jetzt sollten wir nicht länger über Vergangenes hadern, über „hätte- wäre- wenn- und – kann“, und darüber, wie lange etwas dauert oder eben auch nicht.

Ein Prosit auf das Leben, ein Lächeln im Brummen und Summen, mit Freunden im sanften Kerzenlicht. Prosten wir uns zu auf das Leben. Auf das „Gestern“ , das vorhin noch „heute“ war und auf das „Morgen“, das in ein paar Stunden schon „Heute“ ist, versprechend und wohlgemut, jeden einzelnen Augenblick davon zu genießen.